Darf man einen Arbeitnehmer per Email Kündigen? Im Gesetz gibt es keine zwingende Vorschrift, wonach ein Arbeitsvertrag schriftlich geschlossen werden muss. Ein Arbeitsverhältnis kann daher auch mündlich gekündigt werden. Eine Kündigung per Email scheint also möglich.
Leider ist das nicht unbedingt immer der Fall. Kollektivverträge können eine Verschärfung der gesetzlichen Formvorschriften vorschreiben. Tatsächlich wird in vielen Kollektivverträgen vorgeschrieben, dass Arbeitsverträge nur schriftlich geschlossen und gekündigt werden können. In diesem Fall stellt sich die Frage, ob mit einer Email das Schriftlichkeitsgebot erfüllt ist oder nicht.
Die Rechtsprechung ist hierzu etwas zweigeteilt. Im allgemeinen Zivilrecht gibt es einige höchstrichterliche Entscheidungen, die das bejahen. Andererseits wurde auch entschieden, dass das Schriftformgebot im Einzelfall geprüft werden müsse. Bei der Frage, ob die Schriftlichkeit auch durch ein eigenhändig unterschriebenes und eingescanntes Schriftstück erfüllt ist, komme es auf den Zweck der jeweiligen Vorschrift an.
Einen Fall landete kürlich sogar vor dem Obersten Gerichtshof (OGH) In der Entscheidung 9 ObA 110/15i ging es
um eine Zahnarztassistentin. Nach dem Kollektivvertrag der Zahnarztangestellten muss eine Kündigung schriftlich erfolgen. Der Arbeitgeber entschloss sich am letzten Tag des Monats der Assistentin zu kündigen. Da diese an jenem Tag nicht mehr in der Praxis war, druckte er die Kündigung aus, unterschrieb sie und fotograffierte das Schreiben mit dem Smartphon. Per WhatsApp sendete er die Kündigung an die Angestellte.
Diese erhielt die Kündigung zwar, vertrat aber den Standpunkt, dass durch die WhatsApp-Nachricht die Schriftlichkeit nicht eingehalten sei. Dadurch sei die Kündigung an diesem Tag nicht wirksam erfolgt. Die Sache landete vor dem Arbeitsgericht.
Das Erstgericht gab der Zahnarztassistentin Recht. Das Gericht kam zur Auffassung, dass das Schriftlichkeitsgebot verletzt wurde. Der Arbeitgeber erhob dagegen Berufung und kam vom Berufungsgericht zunächst recht.
Schlussendlich befasste sich der OGH mit dem Fall und entschied zugunsten der Arbeitnehmerin.
Das Erfordernis, einer schriftlichen Kündigung würde gewährleisten, dass ein Schriftstück mit der Erklärung hinreichend zuverlässig entgegen genommen wird. Das ist im gegenständlichen Fall zwar erfüllt, aber das Schriftformerfordernis ist auch dahingehend zu prüfen, weshalb sie in diesem Fall vorgesehen ist.
Das sei nach der Meinung des OGH deswegen der Fall, damit der Arbeitnehmer die Kündigung leicht weitergeben und überprüfen lassen könnte. Die per WhatsApp empfangene Kündigung könne die Arbeitnehmerin nicht ohne weiteres Ausdrucken oder zur Überprüfung weitergeben. Darum sei nach dem Sinn des Gesetzes, hier jedenfalls das Schriftformerfordernis nicht erfüllt und die Kündigung unwirksam.
Analog dürfte diese Entscheidung für eine Kündigung per Email gelten, da der OGH als Grund für die Entscheidung angibt, dass eine Kündigung ohne zusätzliche Ausstattung (gemeint ist wohl ein Drucker), nicht ausgedruckt werden kann.
Meiner Meinung nach ist diese Entscheidung wohl in dem Licht zu betrachten, dass die Höchstrichter doch schon etwas älter sind und mit WhatsApp nur wenig anfangen können. Es wäre keine grosse technische Fähigkeit erforderlich, die Datei auszudrucken oder direkt an einen Anwalt oder die Arbeiterkammer zur Überprüfung weiterzuleiten.
Offen lässt der OGH, wie der Fall zu beurteilen wäre, wenn der Arbeitgeber weiss, dass der Arbeitnehmer einen einsatzbereiten Drucker hat. Ich bin aber sicher, dass diese Rechsprechung im laufe der Zeit überdacht werden wird, wenn irgendwann „Digital Natives“ in das Höchstgericht aufrücken, für die die Verwendung von Email und anderen technischen Errungenschaften zur Selbstverständlichkeit gehört.