Das österreichische Erbrecht ist im ABGB verankert und ist seit dessen Anfängen kaum geändert worden. Viele Bestimmungen sind über 200 Jahre alt. Die Vorstellungen des damaligen Gesetzgebers passen jedoch nicht mehr mit dem Realleben in der Gesellschaft des 21. Jahrhunderts zusammen. Lebensgemeinschaften sind heute ebenso Alltag, wie die langjährige Pflege von Angehörigen. Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, hat nun Justizminister Brandstätter die bereits letztes Jahr angekündigte Erbrechtsreform der Öffentlichkeit vorgestellt.
Kernpunkte der geplanten Änderung sind ein gesetzliches Erbrecht für Lebensgefährten, ein höherer Pflichtteilsanspruch für Angehörige, die den Erblasser gepflegt haben und die Bemühung Familienunternehmen zusammenzuhalten.
Erbrecht für Lebensgefährten
Bis heute haben Lebensgefährten kein gesetzliches Erbrecht. Nur im Testament können Sie bedacht werden. Dahingegen haben geschiedene Ehepartner ein gesetzliches Erbrecht. Hat der Erblasser bei seinem Tod kein Testament gemacht, in dem er seinen Lebensgefährten als Erben einsetzt, bekommt unter umständen sein geschiedener Ehepartner das ganze Erbe. Das soll sich nach den Plänen des Ministers ändern. Mit der Scheidung geht das gesetzliche Erbrecht erloschen und der Lebensgefährte erhält ein Erbrecht, wenn es keine anderen gesetzlichen Erben wie Kinder oder Enkel gibt.
Erbrecht für pflegende Angehörige
Die Menschen werden immer älter. Das ist natürlich erfreulich, wir sind in unseren letzten Lebensjahren aber immer häufiger auf Pflege und Unterstützung angewiesen. Nicht selten kommt es vor, dass die Pflege von einem Erben alleine übernommen wird. Bis jetzt konnten diese zwar den entsprechenden Aufwand geltend machen, wurde von den anderen Erben nicht anerkannt, brauchte es einen eigenen Zivilprozess, der teuer und oft riskant war, den der Kläger musste die aufgewendeten Stunden beweisen. Das ist in der Praxis nicht immer leicht.
In Zukunft sollen pflegende Angehörige ein höheres Erbrecht haben, darüber kann direkt im Verlassenschaftsverfahren entschieden werden.
Familienunternehmen sollen nicht mehr zerschlagen werden
Für ein Familienunternehmen kann ein Erbfall eine grosse Krise bedeuten. In vielen Fällen sind sich die Erben einig, wie es mit dem Unternehmen weitergehen soll. Ist das jedoch nicht der Fall, wird in der Regel einer das Unternehmen zugewiesen bekommen und die anderen Erben erhalten eine Ausgleichszahlung. Bis jetzt ist diese innerhalb von 30 Tagen fällig. Kaum ein Unternehmen kann diese Summe in so kurzer Zeit aufbringen. Mit dem neuen Erbrecht soll dem Gericht die Möglichkeit gegeben werden, die Fälligkeit auf 5 Jahre, in besonderen Einzelfällen sogar bis zu 10 Jahre zu stunden. Eine Ratenzahlung ist vorgesehen ebenso wie die Verzinsung der Ausgleichszahlung.
Verfahrensrechtliche Änderung
Eine wesentliche Änderung im Zivilprozessrecht, die den Verfahrensaufwand für die Erben deutlich reduzieren wird, ist die geplante Kompetenzverschiebung hin zum Verlassenschaftsrichter. Bis jetzt musste ein Erbe, der einen Pflichtteilsanspruch oder einen höheren Anteil am Erbe gelten machen wollte eine Klage in einem eigenen Zivilprozess einbringen. Neu soll der Verlassenschaftsrichter bereits im Verlassenschaftsverfahren diese Fragen klären können. Das spart Zeit und Geld sowohl für die Parteien als auch für den Staat.
Eine weitere Neuerung betrifft die örtliche Zuständigkeit. Derzeit ist in der Regel die Staatsbürgerschaft des Erblassers ausschlaggebend, welches Recht für den Erbgang massgeblich ist. Stirbt ein Österreicher, der in Spanien lebt, so muss das spanische Gericht den Erbgang nach österreichischem Recht abhandeln. Oft ist das nicht ganz einfach. Das neue Erbrecht birgt hier eine Änderung. Zukünftig gilt das Recht des letzten gewöhnlichen Aufenthaltsortes. Im vorherigen Beispiel würde spanisches Recht zur Anwendung gelangen. Im Testament kann festgelegt werden, das trotzdem österreichisches Recht gelten soll.
Das neue Erbrecht soll noch dieses Jahr beschlossen werden und in Kraft treten.